In der Schweiz steht noch ein nahezu ungenutztes Potential an Wasserkraft im unteren Leistungsbereich zur Verfügung. Viele Bäche, Quellen, Abwasserleitungen, Trinkwasserversorgungen und Reservoirüberläufe könnten zur Stromerzeugung genutzt werden. Dass diese enorme Leistung noch nicht (oder nicht mehr) genutzt wird hängt von mehreren Faktoren ab.
Für viele früher genutzten Kleistkraftwerke werden keine Wasserrechte mehr erteilt. Die Fische haben zur Zeit höchste Priorität.
Der Bau eines Picokraftwerkes ist oft mit Engineering verbunden und jedes Projekt bedarf einer Einzellösungen. Kraftwerke ab Stange sind schwer auffindbar oder passen nicht optimal auf die Begebenheiten.
Trotzdem, vorteilhaft an der Wasserkraft ist, dass bei den meisten Anwendungen eine konstante Leistung abgegeben wird. Man ist nicht wie bei der Solarenergie oder beim Wind von äusseren, nicht beeinflussbaren Gegebenheiten abhängig.
Für die Wasserkraft braucht es Wasser und Gefälle.
Berechnung der Leistung
Wir behandeln hier die Frage, welche Leistung von einem Picokraftwerk bezogen werden kann.
Die Leistung (P) ist abhängig von der Höhendifferenz (h) auch Nettofallhöhe genannt, des Durchflusses (q) und des Wirkungsgrades (e).
P = 9.81 x q x h x e
Die Leistung (P)
Die vom Picokraftwerk abgegebene Leistung hat die Einheit Watt [W]
Der Durchfluss (q)
Mit dem Durchfluss ist die Menge (Volumen) Wasser gemeint, welche in einer Sekunde an einem Punkt (z.B. bei der Düse) vorbei kommt. Die Einheit ist Liter/Sekunden [l/s] (bei Wasser) oder auch Kilogramm/Sekunden [kg/s].
Der Wirkungsgrad (e)
Leider ist nichts vollkommen. So haben wir auch bei einem Picokraftwerk viele Verluste. Zum Beispiel:
Die Turbine kann nicht alle Energie im Wasser in die Energie der Drehbewegung der Welle umsetzen. Dabei spielt z.B. bei der Peltonturbine vor allem die Anpassung der Geschwindigkeit am Schaufelrad an die Austrittsgeschwindigkeit des Wassers bei der Düse eine erhebliche Rolle.
Verluste durch Reibung in den Lagern und in den Dichtungen
Der Generator arbeitet nicht ohne Verluste. Es treten Verluste im Eisen und in der Wicklung vom Generator auf.
usw.
Höhendifferenz (h) resp. Nettofallhöhe
Die Nettofallhöhe berechnet sich aus der Differenz der vertikalen Höhen zwischen dem Mikrokraftwerk und der Wasserfassung (Bruttofallhöhe) abzüglich der Druckverluste in der Zuleitung. Die Nettofallhöhe ist auch proportional zum Wasserdruck in der Leitung. Die Einheit für die Höhendifferenz ist Meter [m].
Die Bruttofallhöhe ist die geometrische Fallhöhe, wie sie gemessen oder aus einer Karte herausgelesen werden kann.
In der Nettofallhöhe sind die Verluste in der Zuleitung bei der entsprechenden Wassermenge eingerechnet. Je kleiner der Durchmesser und je grösser die Länge der Zuleitung ist, desto grösser ist auch der Druckverlust in der Zuleitung. Der Druckverlust kann in Fallhöhe umgerechnet werden. Für die weitere Berechnung der Turbine wird der Höhenverlust von der Bruttofallhöhe abgezogen. Die daraus entstehende Nettofallhöhe ist eine wichtige Grösse für die Berechnung der Austrittsgeschwindigkeit vom Wasserstrahl.
Turbinentypen
Je nach nutzbarer Fallhöhe und verfügbarer Wassermenge werden unterschiedliche Turbinentypen eingesetzt.
Wasserrad
Früher oft anzutreffen, heute eher eine Seltenheit.
Bei geringer Fallhöhe (bis 10m) und mittlerer Wassermenge eignet sich auch heute noch ein Wasserrad.
Dabei unterscheidet man zwischen unterschlächtigem und oberschlächtigem Wasserrad. Schlägt das Wasser im unteren Teil des Rades auf die Schaufeln, spricht man vom unterschlächtigen Wasserrad. das Drehmoment wird durch den dynamischen Druck des fließenden Wassers auf die Schaufeln des Laufrades erzeugt.
Zur Erhöhung der Zulaufgeschwindigkeit wird oft ein Schütz vor dem Wasserrad hergestellt. Die theoretische Leistung hat den Wert: P = g Q v2 / 2g (wobei Q den aktiven Durchfluss darstellt), aber der Wirkungsgrad des unterschlächtigen Wasserrades ist relativ gering.
Schlägt das Wasser über dem Rad an die Schaufel und fliesst übers Rad, spricht man vom oberschlächtigen Rad.
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Peltonturbinen
Bei grosser Fallhöhe (ab 20m) eignen sich die Peltonturbinen
Diese Turbine wird auch Freistrahlturbine genannt, weil der Wasserstrahl frei zur Düse hinaus auf die Peltonschaufeln strahlt. Die Turbinenschaufeln sind so geformt, dass der Wasserstrahl zurück gelenkt wird. Wenn nun die Umfangsgeschwindigkeit vom Turbinenrad die Hälfte der Austrittsgeschwindigkeit vom Wasserstrahl hat, wird so das umgelenkte Wasser auf 0 abgebremst. Die Turbine arbeitet so im optimalen Arbeitspunkt.
Die Wassermenge kann über eine Düsennadel verstellt und an die zur Verfügung stehende Wassermenge angepasst werden. Bei grösseren Anlagen geschieht die automatisch. Bei Kleinstkraftwerken wird dies aus Kostengründen meist durch eine Handverstelldüse gemacht.
Turgoturbinen
Ähnlich wie die Peltonturbinen sind auch die Turgoturbinen Freistrahlturbinen. Der Strahl trifft jedoch nicht tangential auf das Laufrad, sonder von der Seite. Die Turgo-Turbine kann in der Regel mehr Wasser schlucken als die Peltonturbine. Dafür werden die Turgoturbinen meistens für eher geringe Fallhöhen konzipiert. Diese Turbinen sind relativ einfach aufgebaut und eignen sich deshalb auch ideal für Entwicklungsländer.
Wegen ihrer toleranten Fallhöhen eignen sich die Turbinen auch für den Einsatz in voralpinen Gebieten. Auch bei diesen Turbinen kann die Wassermenge über eine Düsennadel eingestellt werden.
Unterwasserturbinen
Wie das unterschlächtige Wasserrad bezieht die Unterwasserturbine ihre Leistung aus der freien Strömung. Sie wurde eigentlich für Segelschiffe entwickelt, kann aber auch in einen Fluss mit genügend Strömung und Querschnitt eingebracht werden. Von dem her ist diese Wasserturbine äusserts einfach einzusetzen.
Sie sieht aus wie eine Kaplanturbine hat aber, wie eine Schiffsschraube keine Wasserführung. Diese Flussturbinen werden fast nur für das Laden von Batterien eingesetzt, da nur eine geringe Leistung erzielt werden kann. Es sind auch keine Anwendungen im höheren Leistungsbereich bekannt.
Kaplanturbinen
Die Kaplanturbine wird bei grossen Wassermengen und geringer Fallhöhe eingesetzt. Im Gegensatz zur Pelton- oder Turgoturbine handelt es sich hier nicht um eine Freistrahlturbine. Die Turbine ist komplett im Wasser und es darf auch über den Abfluss keine Luft dazu kommen, den der Abfluss wirkt als Saugrohr.
Bei den Kleinstkraftwerken arbeiten die Niederdruckturbinen oder die Rohrturbine nach diesem Prinzip. Beide brauchen eine Fallhöhe von 1,5m.
Francis-Turbine
Ähnliche wie die Kaplanturbine handelt es sich hier um eine Überdruckturbine. Die Francis-Turbine nutzt die Reaktionskräfte der Strömungsenergie in Folge der Umlenkung durch die gekrümmten Schaufeln.
Durchströmturbine, auch Ossberger genannt
Sie sieht aus, wie ein Radialventilator und ist bei Kleinkraftwerken unter 1MW recht weit verbreitet. Der Name Durchströmturbine kommt daher, weil das Wasser durch die Turbine hindurch strömt und beim Eintritt in die Walze, wie auch beim Austritt ein Drehmoment erzeugt.
Generatoren
Wasserturbinen laufen in der Regel 24 Stunden am Tag. Deshalb ist beim Generator darauf zu achten, dass er möglichst verschleissarm ist. Von Gleichstromgeneratoren mit Kohlebürsten ist abzusehen. Ideal sind permanent erregte Synchrongeneratoren. Je höher die Drehzahl, desto eher müssen die Lager ausgetauscht werden. Da Generatoren mit höherer Drehzahl aber gleicher Leistung kleiner gebaut werden können sind diese günstiger. Bei der Wahl der Drehzahl muss man deshalb einen Kompromiss zwischen dem Beschaffungspreis und dem Verschleiss machen. Bei Kleinstkraftwerken mit Peltonturbinen wird in der Regel eine Drehzahl um 1000 1/min gewählt.
Leistungsbereiche
Kleinstwasserturbinen so bis 1000W werden vorwiegende im Inselbetrieb eingesetzt. Die Wechselspannung des Generators wird gleichgerichtet und in eine Batterie eingespiesen. Ein Parallel-Laderegler sorgt dafür, dass die Batterie nicht überladen wird. Es ist darauf zu achten, dass nicht ein klassischer Laderegler aus der Solartechnik eingesetzt. Dieser würde wegen der Induktivität des Generators zerstört.
Entweder wird direkt die Batteriespannung für die Beleuchtung und andere Verbraucher wie Kühlgeräte verwendet, oder es wird über einen Wechselrichter eine 230V Wechselspannung erzeugt. Diese Insel-Wechselrichter können nicht für die Einspeisung ins öffentliche Stromnetz verwendet werden.
Da die Drehzahl am Generator der Turbine meistens direkt von der Netofallhöhe abhängig ist und mit der Drehzahl auch die Ausgangsspannung, passt die Batteriespannung und die Generatorspannung nicht zusammen. Die Folge ist, dass die Turbine nicht im optimalsten Arbeitspunkt betrieben werden kann.
Bei der Peltonturbine kann dies in begrenztem Masse durch ein Anpassen vom Strahlkreisdurchmesser behoben werden. Dies ist aber aufwendig und bei unterschiedlichen Wassermengen und damit unterschiedlichen Druckverlusten nicht immer ganz zielführend.
Mit geeigneten MPPT-Ladereglern kann die Drehzahl der Turbine auf den optimalen Wirkungsgrad angepasst werden. Der Laderegler kann die Eingangsspannung auf die Batteriespannung herunter wandeln. Sein Algorithmus sucht die Eingangsspannung, mit welcher am Meisten Leistung in die Batterie eingebracht werden kann.
Für Kleinst-Turbinen ist eine Anpassungselektronik möglich, bei welcher die Eingangsspannung manuell eingestellt werden muss.
Soll die Leistung ins öffentliche Netz gespiessen werden gibt es zwei Möglichkeiten:
Synchrongenerator
Es wird wie beim grösseren Bruder ein regelbarer Synchrongenerator gewählt, welcher mit einer dem Netz angepasster Drehzahl läuft. Die Drehzahl ist dann konstant und durch die Netzfrequenz gegeben. Über die Erregung vom Generator kann die Leerlaufspannung und somit die Leistungsabgabe geregelt werden
Zwischenkreisspannung mit Netz-Wechselrichter
Beim Generator meistens eine grössere Ausgangsspannung gewählt als dies zum Laden der Batterie notwendig ist. Üblich ist 120V. Die Spannung wird auf eine sog. Zwischenkreisspannung gleichgerichtet. Diese Spannung wird dann auf den Wechselrichter geführt, welcher die Anpassung bezüglich Frequenz und Spannung auf das öffentliche Stromnetz erledigt.
Historisches
Als die Energie noch nicht so günstig war, wurde fast jedes Gewässer als Energiequelle genutzt. Eine Karte von 1928 belegt, wie die Gewässer des Kantons Bern für die vielfältigen Bedürfnisse eingesetzt wurden. Die Menge der Kleistkraftwerke ist unglaublich.
Anwendungen waren:
– Sägerei
– Schreinerei
– Schmieden und mechanische Werkstätten
– Spinnereien und Webereien
– Zementfabriken
– und vieles Mehr
Karte im PDF herunterladen: Die Wasserkraftanlagen im Kanton Bern 1928
Auf dieser Karte sind die Kraftwerke eingezeichnet, welche 1928 in Betrieb waren.
Welche Kleinstkraftwerke heute Leistung generieren finden Sie im Atlas für Kleinwasserkraftwerke unter: http://www.kwkatlas.ch/
Weitere Informationen zum Bau eines Wasserkraftwerkes finden Sie auch unter:
Wasserkraftwerk selbst gebaut.
(Anleitung zum Bau eines Picokraftwerkes)